Lohnsteuerrechner im Internet: Brauchbar oder alles Schrott?

Als Arbeitnehmer will man gelegentlich die Lohnsteuer und Sozialabgaben selber berechnen, zum Beispiel i.R.v. Gehaltsverhandlungen, nach dem Vorstellungsgesprächwenn eine Abfindung ansteht oder weil man die Zahlen auf seiner Gehaltsabrechnung nachvollziehen möchte. Dann greift man auf einen Lohnsteuerrechner aus dem Internet zurück. Aber was können die und welcher ist empfehlenswert?  

Für den Schnelltest schaue ich mir also die Ergebnisse auf der Seite 1 der Google-Suche an und bin (Spoiler-Alarm!!!) doch ziemlich enttäuscht über die Ergebnisse. Ich habe für den Test also noch weitere  – im Internet verfügbare – Rechner hinzu genommen. Mir ist durchaus bewusst, dass diese u.U. weniger populär sind, z.B. weil die Eingabe komplizierter erscheint. Aber was nützt mir ein Rechner, bei dem ich zwar nur minimalEingaben machen muss, dessen Berechnungsergebnis aber nicht im Ansatz der späteren Realität entspricht?  

Eins vorweg: Die Lohnsteuerrechner im Internet können eine professionell erstellte Gehaltsabrechnung nicht ersetzen. Das Ergebnis wird in den seltensten Fällen mit der tatsächlichen späteren Gehaltsabrechnung übereinstimmen, sondern oftmals nur einen Näherungswert zurückgeben. Das Gehaltsabrechnungssystem berücksichtigt z.B. die Gehälter der Vormonate und berechnet die Lohnsteuer im Hintergrund schon nach der zutreffenden Jahressteuer (sog. Lohnsteuerjahresausgleich durch den Arbeitgeber). Dies kann ein Internetrechner natürlich nicht. 

Folgende Rechner habe ich mir angeschaut: 

  1. https://www.brutto-netto-rechner.info/ 
  2. https://www.bmf-steuerrechner.de/bl/bl2019/eingabeformbl2019.xhtml# 
  3. https://www.steuern.de/lohnsteuer.html 
  4. https://www.steuerklassen.com/lohnsteuerrechner/ 
  5. https://www.imacc.de/brutto-netto-rechner-gehaltsrechner/ 
  6. https://www.steuertipps.de/service/rechner/brutto-netto-gehaltsrechner#!/ 
  7. https://www.die-steuerausbilder.de/rechner/lohnsteuerrechner/ 
  8. https://www.lohnsteuer-kompakt.de/rechner/brutto_netto_rechner 
  9. https://www.nettolohn.de/ 
  10. https://lohnsteuerrechner.biz/ 
  11. http://www.parmentier.de/steuer/index.php?site=lohnsteuerrechnerjava 
  12. https://www.tk.de › Beiträge und Meldungen › Beiträge › Beitragsberechnung

Erster Blickpunkt war, ob die Rechner auch das sog. Faktorverfahren berechnen können. Es wird leider nicht sonderlich häufig genutzt, obwohl es für Verheiratete den zutreffendsten Steuerabzug ermittelt, wenn beide berufstätig sind. Losgelöst davon sollte aber jeder Lohnsteuerrechner, der seinen Job ansatzweise ernst nimmt, aber auch wenigstens alle denkbaren Steuerklassen anbieten und dazu gehört nun einmal auch das Faktorverfahren. 

Das gleiche gilt für eingetragene Freibeträge und Hinzurechnungsbeträge. Erstaunlich viele Rechner patzen hier bereits und bieten keine Eingabemöglichkeiten oder es ist lediglich ein Freibetrag hinterlegbar. 

Zu den erforderlichen Eingabemöglichkeiten gehört auch die Anzahl der Kinder, die auf der (elektronischen) Lohnsteuerkarte (ELSTAM) eingetragenen sind. Diese wirken sich zwar nur auf den SOLI und die Kirchensteuer aus, allerdings wirkt sich die Kirchensteuer wieder auf die Lohnsteuer aus. Des weiteren zahlen Kinderlose einen Aufschlag in der Pflegeversicherung. D.h. wenn Kind hinterlegt sind, kommt es  nicht zu dem Aufschlag und folglich zu einem geringerem Vorsorgeaufwand und infolgedessen zu höherer Lohnsteuer. Hier sieht man sehr schön: Was der Staat einem an einer Stelle gibt, das nimmt er einem an anderer Stelle wieder weg. Unterm Strich fragt man sich dann, warum das alles so furchtbar kompliziert sein muss. 

Als nächstes habe ich mir angeschaut, ob die Beitragspflicht für jeden Sozialversicherungszweig gesondert (Krankenversicherungs-, Rentenversicherungs, Arbeitslosenversicherungspflichtig) angeben kann. Das ist wichtig für die Berechnung der individuellen Vorsorgeaufwendungen; diese mindern wiederum die Lohnsteuer. Ohne diese Differenzierung wird eine Berechnung z.B. bei einem weiterbeschäftigten Rentner oder einem nebenberuflich beschäftigten Beamten etc. niemals die zutreffende Lohnsteuer ermitteln.  

Ferner ist eine Eingabe des Arbeitsortes wichtig, damit der Rechner zwischen Beitragsbemessungsgrenze Ost und West unterscheiden kann. Auch die Höhe des Zusatzbeitrages in der GKV sollte der Rechner abfragen, sowie ob man ermäßigt Krankenversicherungspflichtig ist. Ebenso ist in Sachsen die Pflegeversicherung höher, was zu einer Minderung bei der Lohnsteuer führt. 

Bei privater Krankenversicherung sollte der Rechner nicht nur die Prämie abfragen, sondern auch den Wert aus der jährlichen “Bescheinigung zur Erlangung des Arbeitgeberzuschusses”. Da Wahlleistungen regelmäßig nicht abzugsfähig sind, wäre die ermittelte Lohnsteuer zu niedrig, wenn man die (volle) KV-Prämie berücksichtigen würde. Abzugsfähig ist nur die Basisabsicherung und nur diese wirkt sich folglich bei der Lohnsteuer aus. 

Bei weiterbeschäftigten Rentnern, die parallel eine Betriebsrente erhalten, ist es wichtig zwischen normalem Arbeitslohn und Versorgungsbezügen zu unterscheiden. Das ermöglichen aber relativ wenige Rechner 

Häufigster Anwendungsfall für eine solche Berechnung wird wohl die anstehende Abfindung sein. Hier ist es dann wichtig, dass man unterscheiden kann, ob die Abfindung der sog. Fünftelungsregelung unterworfen werden soll oder ob sie normal versteuert wird. Leider bieten nur sehr wenige der Rechner dieser Funktionsumfang. Wann die Fünftelungsmethode Anwendung findet, ist allerdings ein extra Blogpost. 

Manchmal will man auch umgekehrt rechnen, d.h. man will das (notwendige) Netto auf das zugehörige Brutto hochrechnen. Das bieten immerhin schon 4 der getesteten Rechner. 

Ferner habe ich mir angeschaut, ob der Rechner als Ergebnis nur die Lohnsteuer ausgibt oder ob er (was m.E. sinnvoller ist) auch noch die einzubehaltenden Sozialabgaben darstellt. Nur so komme ich ja auf mein eigentliches Netto i.S.dAuszahlungsbetrages. Idealerweise zeigt der Rechner auch noch die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung an, damit man erkennt, wieviel man seinen Arbeitgeber wirklich kostet (und damit man mal erkennt, wie stark der Staat den Faktor Arbeit insgesamt verteuert). 

Final habe ich für einen Standardfall die Lohnsteuer berechnet, um zu schauen, ob jeweils das zutreffende (erwartete) Ergebnis herauskommt. Das war immerhin noch bei 11 von 12 Rechnern der Fall.

Fazit: 

Keine Schwächen leistet sich der Rechner von parmentier.de. Sehr gut gefallen hat mir, dass man die Steuerberechnung auch als Excel-Datei herunterladen kann. Das kann sinnvoll sein, wenn man Steuerberechnungen mal für andere Excel-Berechnungen benötigt (z.B. für die Sinnhaftigkeit von PKW-Gehaltsumwandlungsmodellen). Dann muss man die Steuerberechnung nicht erst selbst manuell nachbauen. 

Wer Abfindungen berechnen möchte, kann auch noch auf lohnsteuerrechner.biz zurückgreifen. Sehr gut hat mir dort gefallen, dass man dort auf Basis der Eingaben auch eine Rentenprognose machen kann. So kann man schnell mal überschlagen, welche Rentenminderung bei der gesetzlichen Rente mit einer Gehaltsumwandlung zugunsten betrieblicher Altersvorsorge einhergeht. Außerdem findet man dort eine Vielzahl weiterer Rechner. Die Darstellung könnte hier besser sein. 

Desweiteren sind auch die Rechner von steuertipps.de und von tk.de noch empfehlenswert, auch wenn letzterer für die Berechnungen von Abfindungen nicht wirklich weiterhilft.  Auf steuertipps.de finden sich viele weitere Rechner. Der TK-Rechner berechnet auch noch die übrigen Arbeitgeberabgaben (U1, U2, U3 – Umlagen). Noch gut – wenn man nicht gerade Abfindungen berechnen möchte – ist der Rechner von Nettolohn.de. Hier hat mir gefallen, dass man auch übliche Gehaltsextras (Kindergartenzuschuss, Tankgutscheine, pauschalversteuerte Zuschüsse für Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte) hinterlegen kann. In der Berechnung bekommt man dann angezeigt, wie das Netto mit und ohne diese Extras aussehen würde.