Betriebsveranstaltungen, die nicht allen offenstehen – Replik zum Urteil des FG Münster

Die Vorgeschichte

Nachdem der BFH in mehreren Urteilen die Bemessungsgrundlage von Betriebsveranstaltungen stark eingeschränkt hatte (u.a. sollten die Kosten für den äußeren Rahmen beim Mitarbeiter nicht mehr zu einer Bereicherung führen) hat das BMF in der gewohnten Art reagiert und den Gesetzgeber ab 2015 i.R.e. Nichtanwendungsgesetzes den Begriff der Betriebsveranstaltung legal-definieren lassen. Die BFH-Rechtsprechung war insoweit obsolet.

Seit 2015 ist gem. §19 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG eine Betriebsveranstaltung per Definition:

  • eine Veranstaltung,
  • auf betrieblicher Ebene,
  • mit gesellschaftlichem Charakter.

Die betriebliche Ebene ist i.d.R. unkritisch (und lediglich von der geschäftlichen / Geschäftsfreundebewirtung oder von der rein privaten Bewirtung abzugrenzen). Der gesellschaftliche Charakter findet sich definiert in den Ausführungen der BFH-Rechtsprechung aus den Jahren zuvor, wo dieser zuvor schon den Begriff der Betriebsveranstaltung mit Leben gefüllt hatte. Die Teilnahme ALLER war danach immer lediglich ein Indiz, aber kein Tatbestandsmerkmal (vgl. z.B. immer noch lesenswert BFH v. 18.03.1986 – VI R 49/84). Wenn ALLE eingeladen waren, war dies ein Indiz dafür, dass hier nicht eine kleine (ausgewählte) Gruppe für ihren besonderen Arbeitseinsatz entlohnt wurde (Entlohnung vs. ganz überwiegend eigenbetr. Interesse).

Die Teilnahme ALLER findet sich auch im aktuellen Gesetzestext, aber erst in S.3 der Vorschrift, wenn es darum geht Freibeträge zu gewähren. D.h. nach dem Wortlaut liegt beispielsweise auch bei einer Führungskräfteveranstaltung eine Betriebsveranstaltung vor, für die lediglich (mangels S.3) keine Freibeträge abgezogen werden dürfen. Allerdings kann dann gem. §40 Abs. 2 EStG auch diese Führungskräfteveranstaltung mit 25% pauschaliert werden, weil es sich per Definition um eine Betriebsveranstaltung handelt.

Die Finanzverwaltung sieht das naturgemäß anders, schließlich „war das ja noch nie so“ und schließlich „hat man das ja immer schon (anders) gemacht“. Außerdem ist es viel einfacher solche Kleinigkeiten negativ festzustellen und über einen Automatismus Steuersubstrat zu erzeugen. Wesentlich aufwendiger wäre es ja nach allgemeinen Grundsätzen zu prüfen, ob bei einer solchen Führungskräfteveranstaltung überhaupt Arbeitslohn vorliegt.

Seisdrum: Wenn die 25%-Pauschalierung nicht in Frage kommt, dann wäre i.d.R. mit 30%-Pauschalierung gem. §37b EStG maßgeblich. Die steuerlichen Unterschiede, um die hier gestritten wird, sind also marginal. Das Problem ist aber, dass Zuwendungen i.S.d. §37b EStG nicht automatisch beitragsfrei in der Sozialversicherung sind. Auch wenn bei der Führungskräfteveranstaltung vermutlich keine Sozialversicherung anfällt (da alle Teilnehmer über der BBG sein werden) besteht dann aber trotzdem die Notwendigkeit bei jedem Teilnehmer individuell ins Lohnkonto zu gehen und dies zu überprüfen.

Erste Urteile zur neuen Rechtslage

Zu dieser spannenden Frage (Betriebsveranstaltung ja oder nein?) gibt es nun ein erstes FG-Urteil (wobei es verwundert, dass es überhaupt so lange gedauert hat) – FG Münster vom 20.02.2020 – 8 K 32/19 E,P,L.

Das FG-Münster schließt sich hier leider der Finanzverwaltung an. Die Gründe, warum es den gesetzlichen Wortlaut ignoriert sind m.E. allerdings wenig überzeugend. Schade, dass auch das FG Münster sich Arbeit erspart hat generell zu prüfen, ob überhaupt Arbeitslohn vorliegt und mithin sozusagen die Fußgängerpunkte hat liegen lassen, weil es sich direkt aufs Problem gestürzt hat.

Auch die (alte) Rechtsprechung diesbezüglich konnte schon nicht wirklich überzeugen. Zugegeben: Wenn ich eine Zuwendung nicht ALLEN gewähre, sondern ausgewählten Einzelpersonen (hier den Führungskräften), dann ist das ein starkes Indiz dafür, dass diese Leute belohnt werden sollen und kein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse vorliegt.

Den Automatismus „WENN Führungskräfte DANN immer steuerpflichtig“ vermag ich aber nicht zu folgen. Hier scheint ein 50er Jahre-Weltbild von Führungskräfteveranstaltungen durch, dass so bestenfalls noch in „Stromberg – Der Film“, aber nicht mehr in der Praxis zu vorzufinden ist. Die meisten Führungskräfteveranstaltungen unterscheiden sich heute nicht wesentlich von üblichen Teambuildings.

Der Sachverhalt des FG-Urteils gib dazu leider nicht allzuviel her, allerdings spricht die Durchführung im „betriebseigenen Gästehaus“ nicht für einen besonderen Eventcharakter. Auch die Anzahl der Teilnehmer erfahren wir leider nicht. Die Gesamtkosten betrugen 17.441 EUR, wovon ein Teil auf eine Veranstaltungsagentur entfiel, die das Gästehaus mit einem Motto dekorierte. Als Unterhaltungsangebot gab es Eisstockschießen. Wahnsinn: Vermutlich werden die Teilnehmer noch ihren Enkeln von diesem Jahrhundert-Event erzählen.

Warum soll ein Unternehmen kein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse an einer Führungskräfteveranstaltung haben können? Natürlich ist es notwendig, dass die Führungskräfte sich vernetzen und in einen Austausch treten und Gelegenheit haben informell mit dem Vorstand zu sprechen. Gerade diese Personen sind es doch, die Dinge im Unternehmen vorantreiben oder blockieren können. Und ggf. will man diesen Personen ja auch andere (geheimere) Informationen geben, als den übrigen Mitarbeitern. Schließlich sind diese Personen es, die vor Ort in ihren Abteilungen jeden Tag die Mitarbeiter motivieren müssen. Auch muss ein Unternehmen die Führungskräfte thematisch und inhaltlich wohl anders ansprechen, als bei einer Veranstaltung, die allen offen steht. Wie gesagt: Auch in der alten Rechtsprechung, war die Teilnahme aller stets nur ein Indiz.

Die Gründe des FG Münster

Insofern ist es schade, dass das FG Münster die Chance nicht nutzt, dem Fiskus seinen Fehler vor Augen zu führen. Schauen wir uns die Begründungen des FG Münster an: 

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der der Senat sich anschließt, ist § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG nur anwendbar, wenn die Teilnahme allen Betriebsangehörigen offen steht (BFH, Urteil vom 15.01.2009, VI R 22/06, BStBl. II 2009, 476 m.w.N.). Im Streitfall durften an der Veranstaltung aber nur Führungskräfte teilnehmen. Der Senat geht davon aus, dass diese Rechtsprechung des BFH zu § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG trotz der Einfügung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG und insbesondere trotz der Legaldefinition in Satz 1 weiterhin Anwendung findet.

FG Münster

Wie gesagt, zum einen war es nur ein Indiz. Zum anderen darf man fragen, warum die alte Rechtsprechung weiter Anwendung finden sollte? Das FG beschreibt weiter hinten explizit, dass durch das neue Gesetz (bestimmte) BFH-Rechtsprechung ausgehebelt werden sollte. Jetzt sucht es sich hier aus, welche Urteile weiter gelten sollen und welche trotz erstmaliger Legaldefinition nicht mehr gelten sollen. Klar kann man so ein Cherry-Picking machen, aber überzeugend ist das nicht.

Wofür brauche ich eine Legaldefinition, wenn mich diese gerade nicht interessiert? Wenn der Gesetzgeber sich die Mühe macht, einen Begriff legalzudefinieren, dann kann man das nicht einfach so zur Seite wischen.  Wenn der Gesetzgeber das zum Tatbestandsmerkmal hätte machen wollen, dann hätte er es in S. 1 und nicht erst in S. 3 schreiben sollen. Ausweislich des Umstands, dass er das gerade nicht gemacht hat, vermag die Auslegung des Gerichts nicht zu überzeugen.

Das Finanzgericht macht sich leider nicht die Mühe bei der maßgeblichen Veranstaltung die sieben Tatbestandsmerkmale des ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesses einmal durchzuprüfen. Sonst hätte es sich fragen müssen, ob hier überhaupt Arbeitslohn vorliegen kann.

Eine von einer Legaldefinition abweichende Auslegung kommt jedoch in Betracht, wenn der Zweck der Regelung, ihr Zusammenhang mit anderen Vorschriften und/oder die Entstehungsgeschichte eindeutig erkennen lassen, dass der Begriff anders als in der Legaldefinition zu verstehen sein soll (vgl. BFH, Beschluss vom 25.11.2002, GrS 2/01, BStBl II 2003, 548). … Eine solche von der Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG abweichende Auslegung des Begriffs der Betriebsveranstaltung in § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG ist hier geboten. Der BFH hat seine Auslegung des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG vor allem mit dem Zweck der Vorschrift begründet. Die Vorschrift bezwecke keine Steuervergünstigung, sondern sei darauf angelegt, eine einfache und sachgerechte Besteuerung der Vorteile zu ermöglichen, die bei der teilnehmenden Belegschaft im Ganzen anfielen. Der Durchschnittssteuersatz von 25 % sei sachgerecht, weil aufgrund der „vertikalen Beteiligung“ Arbeitnehmer aller Lohngruppen an der Betriebsveranstaltung teilnähmen. Stehe eine Veranstaltung nicht allen Betriebsangehörigen offen, verfehle die Pauschalbesteuerung mit einem festen Steuersatz von 25 % das in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verankerte Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit (BFH, Urteil vom 15.01.2009, VI R 22/06, BStBl. II 2009, 476).

FG Münster

Also…#*tiefes ausatmen*# …liebes Gericht: Die 25% sind ein Grenzsteuersatz, weil die Betriebsveranstaltung zum restlichen Lohn hinzukommt. Außerdem übernimmt der Arbeitgeber diese Steuern typischerweise – d.h. es ist ein nettohochgerechneter Grenzsteuersatz. Der trifft bestenfalls dann die Leistungsfähigkeit, wenn die gesamte Belegschaft nicht mehr als den Mindestlohn erhält und auch dann nur, wenn die gesamte Belegschaft ausschließlich in Teilzeit kommt.

Und was soll das mit dem „sachgerecht“ – der Unterschied zum andernfalls regelmäßig maßgeblichen §37b EStG sind 5% Steuersatz. Dadurch wird die Versteuerung hier sachgerechter? Man erkennt, dass dem Gesetzgeber die „vertikale Beteiligung“ von Personen letztlich ziemlich Schnuppe ist. Betriebsfeiern in Oma Krawuttkes Curry-Bude werden mit dem gleichen Steuersatz versteuert, wie bei der Deutschen Bank. Warum sollte ich etwas wie eine Betriebsveranstaltung auch nach der Leistungsfähigkeit seiner Teilnehmer versteuern, zumal regelmäßig auch betriebliche Interessen dahinter erkennbar werden.

Den Gesetzgebungsmaterialien zur Einfügung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Regelungszweck des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG geändert werden sollte. In der Begründung des Entwurfs des Zollkodexanpassungsgesetzes heißt es (Bundestags-Drucksache 18/3017 vom 03.11.2014, S. 47 f.): …„Die Neuregelung dient der Steuervereinfachung, da der BFH mit seiner neuesten Rechtsprechung zu Betriebsveranstaltungen die seit langer Zeit bestehenden und anerkannten Verwaltungsgrundsätze zum Teil abgelehnt und dies zu einer unklaren und komplizierten Rechtslage geführt hat. Die bisherigen Verwaltungsgrundsätze werden nun gesetzlich festgeschrieben. Die bisherigen Verwaltungsgrundsätze gelten auch insoweit fort als sie die gesetzliche Regelung präzisieren. […] Die Neuregelung knüpft an die Bestimmungen der Lohnsteuer-Richtlinien an. […] Dieser Verwaltungsauffassung widerspricht die neueste Rechtsprechung des BFH. Denn danach führen Gemeinkosten, insbesondere für den äußeren Rahmen einer Veranstaltung, ebenso wenig zu einem geldwerten Vorteil des Arbeitnehmers wie Zuwendungen an dessen Begleitung. Die Regelung dient ferner der Vermeidung von Steuerausfällen, da die vom BFH eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden.“ Der Gesetzgeber wollte demnach mit der Einfügung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG vor allem die Rechtslage, wie sie vor Ergehen der (rechtsprechungsändernden) BFH-Urteile vom 16.05.2013 (VI R 94/10, BStBl II 2015, 186; VI R 7/11, BStBl. II 2015, 189) bestand, wiederherstellen. Vor Ergehen dieser Urteile aber war für Veranstaltungen, die nicht allen Betriebsangehörigen offenstanden, die Anwendung des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG eindeutig nicht eröffnet. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Pauschalierungsmöglichkeit auszuweiten beabsichtigte.

FG Münster

Also: Den Gesetzesmaterialien ist aber auch nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber für die Pauschalierung nach §40 und für die Definition im §19 zwei abweichende Definitionen des Betriebsveranstaltungsbegriffes aufrecht erhalten wollte.

Okay – mit der Neuregelung wollte der Fiskus „Gemeinkosten, insbesondere für den äußeren Rahmen einer Veranstaltung“ weiterhin in der Bemessungsgrundlage einer Betriebsveranstaltung drin haben. Andernfalls wäre der Freibetrag u.U. zu hoch gewesen, wenn hierfür nur noch die reinen (konsumierbaren) Event-Komponenten übrig geblieben wären.

Aber das FG sagst ja selber, dass es sich nicht um eine Betriebsveranstaltung i.S.d. Neuregelung handelt. Warum also nimmst das FG dann mit Bezugnahme auf die neue gesetzliche Legaldefinition bitteschön die Kosten des äußeren Rahmens mit in die steuerpflichtige Bemessungsgrundlage hinein? Wenn keine Betriebsveranstaltung (i.d.S.) vorliegt, dann ist es wohl ehr eine gemischte Veranstaltung und ausweislich der (dann weiter geltenden) BFH-Rechtsprechung wäre der äußere Rahmen herauszunehmen. D.h. im konkreten Urteilsfall hätte der Steuerpflichtige sogar noch Geld wieder bekommen – auch wenn keine Betriebsveranstaltung vorgelegen hätte.

Fazit

Der Fall taugt m.E. leider nicht, um in der aufgezeigten Rechtsfrage Klarheit zu bekommen und zwar selbst dann, wenn Revision eingelegt wird. Das FG hat die Kosten nicht konkret aufgeschlüsselt; es hat nicht einmal die Anzahl der Teilnehmer genannt; es hat das ganz überwiegend betriebliche Interesse nicht geprüft und ist in seiner Argumentation in sich widersprüchlich. D.h. der BFH wird die Sache wohl an das FG zurückverweisen auch ohne, dass er auf die spannende Rechtsfrage eingehen muss. Hoffen wir also auf ein obiter dictum oder auf andere Urteile, die das Thema aufgreifen.