Steuerpflichtige Belohnungsessen am Promille-Wert erkennen?

Für einen Finanzamtsprüfer ist die Welt klar strukturiert. Er bekommt von seinem Dienstherren maximal Wasser und Brot – d.h. wenn andere dann von ihrem Arbeitgeber mal Bier oder gar Wein bekommen, muss es sich um ein extraordinäres Incentive handeln.

Mindmap zum Thema

Wir erinnern uns (oder schauen oben rechts unter „taxmaps“ nochmal in der Bewirtungs-Mindmap nach): Im Wesentlichen gibt es drei Arten von Mitarbeiter-Bewirtungen:

  1. Bewirtungen im ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers (hier entfällt die Lohnversteuerung und Vorsteuer kann i.d.R. voll gezogen werden),
  2. übliche Arbeitsessen, z.B. auf einer Dienstreise, bis maximal 60 EUR (hier muss der Sachbezugswert lohnversteuert werden) und
  3. explizit zur Belohnung an Mitarbeiter gewährte Bewirtungen und solche größer 60 EUR

Wann liegt jetzt also ein Arbeitsessen auf einer Auswärtstätigkeit und wann liegt ehr etwas Anderes, z.B. ein Belohnungsessen oder eine Betriebsveranstaltung, vor.

Probleme bei der Verbuchung

Wer entscheidet, was vorliegt? Klar… der (Lohn-)Buchhalter!
Wie entscheidet der Buchhalter? Klar… anhand des Beleges!

Der Buchhalter – die alte Spaßbremse – ist natürlich der Letzte, den man zu so einer Veranstaltung mit nimmt. Der geht schließlich Allen nur auf den Geist 😉  … man braucht jetzt doch bitte eine ordentliche Rechnung, weil die 250 EUR-Kleinbetragsgrenze überschritten ist … nein der Abteilungsleiter kann das nicht nachtragen, das muss schon der Wirt machen und eine Teilnehmerliste soll auch ausgefüllt werden und überhaupt … wohin soll das jetzt gebucht und auf welche Kostenstellen gesplittet werden.

Der Buchhalter muss – wie gesagt – in der Firma bleiben (oder sitzt praktischerweise sowieso extern beim Steuerberater) – gleichzeitig soll er jetzt die Mahlzeit anhand des Bewirtungsbelegs beurteilen 🙁 … jetzt mal Hand aufs Herz: Bei wem ist die Beschreibung des Anlasses auf dem Beleg ausreichend, um die 7-stufige Prüfung des Bundesfinanzhofs zum ganz überwiegend betrieblichen Interesse herzuleiten? Also Anlass, Art, Höhe, Auswahl der Begünstigten, freie oder gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang, Geeignetheit für die Zweckerreichung.

Alkohol als Abgrenzungsmaßstab?!

Kann man es sich also wirklich so einfach machen, wie der Lohnsteuerprüfer: Wenn mit Alkohol = Spass = Event = Rechnungsbetrag steuerpflichtig.

Beispiel: Abteilungs-/Filial-Meeting im benachbarten Restaurant inkl. Mahlzeitengewährung – hier: in den Abendstunden, ggf. mit oder ohne Alkohol –  tagsüber war keine Zeit für die gemeinsame Besprechung, da man permanent für Kunden erreichbar/verfügbar sein musste. Die reguläre Arbeitszeit (10 Stunden-Grenze) an dem Tag ist vermutlich längst abgelaufen  und ohne den Köder des „eventmäßigen“ Essen würde niemand mehr zum Meeting mitgehen („Papa Stromberg, ich hab Hunger – ich will nach Hause!“). D.h. der Deal ist: „wir besprechen uns außerhalb der Arbeitszeit, dafür bekommt ihr etwas hinter die Kiemen“. Das hinkt natürlich, da vermutlich in jedem Fall Arbeitszeit vorliegt – aber nach Schnitzel-Pommes und 2 Bacardi-Cola schaut da vielleicht auch kein Betriebsrat mehr so genau drauf. Derartige arbeitsrechtliche Fragen sind für die steuerliche Behandlung letztlich ohne Bedeutung. Faktisch könnte der Arbeitgeber die Mitarbeiter aber wohl nicht zur Teilnahme zwingen – er ist also auf ihre Freiwilligkeit angewiesen.

Der Beispielsfall könnte jetzt gut argumentierbar im „ganz überwiegend eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers“ sein – zumindest, wenn die o.g. Sachverhaltsausführungen auf einen Bewirtungsbeleg passen würden. Gerade eine gewisse Regelmäßigkeit würde in diesem Kontext dafür sprechen, dass betriebliche Notwendigkeiten jeweils den Ausschlag geben und nicht ein individueller Belohnungsgedanke. Aber dafür wäre letztlich jeder Einzelfall konkret zu prüfen und die Motivlage zu dokumentieren – das ist für die praktische Anwendung im Unternehmen aber m.E. untauglich. Das ganz überwiegend eigenbetriebliche Arbeitsessen soll hier also nicht weiter beurteilt werden – ich halte das für praxisfremd und differenziere nachfolgend zwischen Arbeitsessen (auf Dienstreise) und Belohnungsessen.

Erkenntnisse aus dem Rechnungsbeleg

Durch diese Simplifizierung kann man dem Bewirtungsbeleg gleichwohl schon relativ viel Sachverhaltsinformation entnehmen:

  • Ist der Rechnungsbetrag beim reinen Mitarbeiteressen über 60 EUR pro Person, dann kann man sich jede weitere Prüfung sparen und ein Belohnungsessen annehmen (eine Betriebsveranstaltung wird wohl entsprechend beim Anlass auf dem Beleg betitelt sein).
  • Die Zusammensetzung der Teilnehmer ist an der Teilnehmerliste oder der Beschreibung des Anlasses regelmäßig gut erkennbar. Ist hier die Belohnung explizit erkennbar, z.B. weil nur bestimmte (ausgewählte) Mitarbeiter anlässlich einer besonderen Arbeitsleistung eingeladen werden (z.B. regelmäßig beim Projektabschluss)? Auch dann muss – unabhängig von Betrag oder vom Vorliegen einer Auswärtstätigkeit – eine individuelle Versteuerung mit dem tatsächlichen Wert erfolgen / Vorsteuer kann nicht geltend gemacht werden. Beim Abteilungsmeeting ist das ausweislich der Bezeichnung aber regelmäßig nicht der Fall.
  • Findet das Meeting ehr tagsüber/nachmittags oder in den Abendstunden statt? Am Quittungsbeleg kann man erkennen, ob die Bewirtung 1-2 Stunden nach regulärem Dienstschluss oder erst spät in der Nacht ein Ende gefunden hat? Wurde vielleicht sogar noch das Taxi erstattet? Termine mit dienstlichem Hintergrund sind ehr nicht „open end“ – zeitnahes Ende nach Dienstschluss spricht jedoch für einen dienstlichen Termin.
  • Ergänzend zum Beleg ist ein Anruf im Fachbereich sinnvoll: Gibt es wirklich eine Agenda und werden betriebliche Punkte besprochen (diese dann zu den Unterlagen nehmen)? Besteht (da betriebliche Themen besprochen werden) also eine betriebliche Notwendigkeit für das Meeting und damit eine „halb-implizite“ Anwesenheitspflicht – dann wird faktisch Arbeitszeit vorliegen (auch wenn die nicht erfasst wird). Mithin handelt es sich dann aber auch um eine normale Auswärtstätigkeit (hier eben in den Räumlichkeiten des Restaurants). Folge: Keine Versteuerung bis 60 EUR p.P./Mahlzeit, sondern Kürzung der Verpflegungspauschalen iRd. Dienstreiseprozesses. Bei Unterschreiten der 8 Stunden (hier beim zweistüdigen-Meeting gegeben) reicht es also, wenn der Sachbezugswert pauschalversteuert wird. Dies erfolgt idR. über den Dienstreiseprozess.
  • An einer solchen dienstlichen Veranstaltung ändert sich dann auch nichts, wenn in den Abendstunden Bier oder Wein im vertretbarem Maße zum Essen bestellt wird (m.E. maximal zwei alkoholische Getränke, ab dem dritten ist es vermutlich ehr eine Party/ggf. Betriebsveranstaltung, denn wir haben nicht 1965 und sind auch nicht bei den Mad Men).
  • Bei der Belohnung/Incentive wird es auf Fragen zur Arbeitszeit nicht ankommen, da es dem Mitarbeiter ja freisteht die Belohnung nicht anzunehmen. Ein paar Versprengte wissen regelmäßig nicht, wann das Ende gekommen ist und die Uhrzeit der Rechnungserstellung fällt daher mit dem Ende der Öffnungszeiten des Restaurants zusammen.  Regelmäßig wird hier, mangels fachlicher Themen Alkohol in einem größeren Ausmaß, als beim regulären Arbeitsessen konsumiert werden.
  • Anders ausgedrückt: Je mehr Alkohol pro Person konsumierte wurde, desto unwahrscheinlicher wird die Besprechung betrieblicher Themen sein (ab dem dritten Hefeweizen, kann ich keiner fachlichen Agenda mehr folgen, da mache ich die Agenda – mein fachlicher Input wird dann tendenziell…nun…sagen wir mal….etwas progressiver).

Fazit

Auch wenn man nicht dabei war, kann man aus dem Beleg schon allerhand Rückschlüsse ziehen. Wenn keine weiteren Hinweise auf eine Belohnung vorliegen, der Wert pro Kopf 60 EUR nicht überschritten hat, der Alkoholkonsum im vertretbaren Rahmen geblieben ist und das Veranstaltungsende nicht in den Nachtstunden lag, dann ist bei der Bewirtung ehr von einem betrieblichen Anlass und mithin von einer Auswärtstätigkeit (s.o.) auszugehen. Für die Prüfung des (nicht steuerbaren) ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesses hat man dann zwar immer noch nicht genug Daten, aber die Pauschalversteuerung der Summe der Sachbezugswerte ist dann jedenfalls schnell gemacht. Wer es etwas profiskalischer mag, kann statt des Sachbezugswertes auch eine Betriebsveranstaltung versteuern (besser jetzt die Betriebsveranstaltung vorsorglich beitragsfrei pauschaliert, als später dafür Sozialversicherung zu zahlen, weil beitragsfreie Pauschalierung i.R.d. Lohnsteuerprüfung nicht mehr möglich ist).

Ich weiß: Für die Buchhalter da draußen ist das alles viel zu unkonkret. Mein Vorschlag wäre also, auf promillerechner.net Beginn und Ende der Veranstaltung und die durchschnittliche Anzahl der Getränke einzugeben. Alles bis 0,8 wäre dann okay und noch keine Belohnung. Fachbereiche können sich aber natürlich mittels individuellen Promilletest exkulpieren, vorausgesetzt dieser wird dem Bewirtungsbeleg beigefügt. [Der werte Leser merkt, der letzte Absatz ist bestenfalls halb ernst gemeint. Gleichwohl befürchte ich, in 3 Jahren wird das in Accounting-Seminaren als Standard-Methode vermittelt werden.]

Update: 19.07.2021

Einen visuell deutlich ansprechenderen und modernen Promillerechner gibt es hier: https://anti-hang-over.de/promillerechner/ 

Ich war einigermaßen überrascht, als ich dort die Biere/Wein eingetragen hatte, die ich üblicherweise bei der Erstellung meiner Steuererklärung brauche.