Die Causa Porsche gibt Anlass der o.g. Frage nachzugehen. Die Bild-Zeitung, Spiegel-Online und ein paar Andere berichteten in der vergangenen Woche über eine Lohnsteueraußenprüfung bei Porsche, die wohl etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Eine der Feststellungen betraf wohl das Thema Altersteilzeit.
Das tut mir einerseits für die Kollegen dort sehr leid, andererseits ist es durchaus zu begrüßen, wenn durch solche mediale Aufmerksamkeit den Geschäftsführern und Vorständen allerorten die Risiken bewusst werden und Steuerabteilungen mehr Rückhalt bekommen. Die Risiken sind heute augenscheinlich nicht mehr nur monetär, sondern wegen all der Steuerskandale der letzten Jahre (Panama Papers etc.) besteht hier nunmehr ein signifikantes Reputationsrisiko. In der Bild-Zeitung ist
z.B. bereits von einer „Steueraffäre“ die Rede.
Aber zurück zur Altersteilzeit: Ich muss zugeben, ich selbst hatte hier erstmal auch kein gesteigertes Problembewusstsein bei diesem Thema.
Mittels Altersteilzeit soll älteren Mitarbeitern ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglicht werden. Das wird u.a. dadurch erreicht, dass dem Mitarbeiter sein (durch Teilzeit reduzierter) Nettolohn mittels sog. Aufstockungsbeträge erhöht wird. Damit er wegen seiner Teilzeit in der Rente nicht wesentlich schlechter dasteht, zahlt der Arbeitgeber zudem noch Zusatzbeiträge an die gesetzliche Rentenversicherung. Beide Zahlungen sind steuerfrei nach §3 Nr. 28 EStG und in der Folge sozialversicherungsfrei gem. §1 Abs. 1 Nr. 1 der Sozialversicherungsentgeltverordnung. So ein Altersteilzeitvertrag läuft regelmäßig über drei oder mehr Jahre und betrifft oftmals eine Vielzahl von Mitarbeitern. Liegen die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit mithin nicht vor, kann es also zu erheblichen Nachzahlungen bei der Lohnsteuer- und der Sozialversicherungsprüfung kommen.
Was sind jetzt diese Voraussetzungen? Es muss sich um „Aufstockungsbeträge im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) oder b) des Altersteilzeitgesetzes handeln. Hier wird es natürlich schon leicht problematisch, denn der Steuerrechtler muss sein vertrautes Umfeld (die Steuergesetze) verlassen und nun mit einem Gesetz arbeiten, was ehr dem Arbeits- und Sozialversicherungsrecht zuzuordnen ist. Gehen wir die Anspruchsvoraussetzungen also einmal der Reihe nach durch:
- Der in Altersteilzeit gehende Mitarbeiter muss mindestens 55 Jahre sein und die Vereinbarung muss sich bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters erstrecken. Vor Vereinbarung sollte also eine Rentenauskunft eingeholt werden.
- Der Mitarbeiter muss noch mindestens drei Jahre bis zum Erreichen der Rente vor sich haben.
- Außerdem muss der Mitarbeiter in den letzten 5 Jahren vor dem Teilzeitvertrag mindestens 1080 Kalendertage versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein.
- Der Arbeitgeber muss den Nettolohn mindestens um 20% erhöhen (aufstocken). Auch ein höherer Aufstockungsbetrag ist grds. steuerfrei. Eine leichte Überschreitung der 20% wird auch anzuraten sein, damit es nicht zu einer ungewollten Unterschreitung der 20% kommt, z.B. weil später herausstellt, dass irrigerweise Teile des aufstockungspflichtigen Regelarbeitsentgelts außen vor geblieben sind. Bei der Vielzahl von Lohnarten, die in Unternehmen im Einsatz sind, kann das schnell passieren.
- Die Aufstockung darf aber zusammen mit dem Arbeitslohn nicht über 100% des ursprünglichen Nettos hinausgehen (gemeint ist der Nettoarbeitslohn, den der Arbeitnehmer im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum ohne Altersteilzeit üblicherweise erhalten hätte, vgl. R 3.28 Abs. 3 LStR 2008).
- Besonderheiten im Blockmodell:
- Im Blockmodell ist regelmäßig eine Insolvenzsicherung der erarbeiteten Wertguthaben vorzunehmen, §8a AltTZG.
- Bezüge während der Freistellungsphase sind übrigens keine Versorgungsbezüge, sondern normaler Arbeitslohn.
- Überschreitet die Altersteilzeit die Dauer von drei Jahren, dann ist eine Regelung im Tarifvertrag erforderlich. Bei nicht tarifgebundenen Parteien oder wenn der Tarifvertrag keine diesbezüglichen Regelungen enthält, dann reicht eine Betriebsvereinbarung. Lediglich wenn kein Betriebsrat existiert ist hilfsweise auch eine Individualvereinbarung möglich.
- Die Aufstockungsbeträge sind Progressionseinkünfte und erhöhen ggf. die Einkommensteuer – sie sind daher auf der Lohnsteuerbescheinigung zu bescheinigen.
Zwischenfazit:
- Eine Altersteilzeitvereinbarung im Blockmodell über mehr als 36 Monate, die nicht vorab mit dem (existenten) Betriebsrat abgestimmt wird, ist problematisch.
- Altersteilzeitverträge, die sich auf eine Regelung im Tarifvertrag beziehen, die ggf. längst weggefallen ist, sind natürlich ebenfalls problematisch.
- Fehlende Insolvenzsicherung im Blockmodell bedroht ebenfalls die Steuerfreiheit.
- Ein Unterschreiten der 20%-tigen Aufstockung führt ebenfalls dazu, dass das Gesetz keine Anwendung mehr findet und die Steuerfreiheit (+SV-Freiheit) verloren geht.
Bemessungsgrundlage für die Aufstockung ist das „Regelarbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit„. Diesem Begriff kommt folglich eine zentrale Bedeutung zu. Was darunter zu verstehen ist findet sich in §6 AltTZG:
„Das Regelarbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit im Sinne dieses Gesetzes ist das auf einen Monat entfallende vom Arbeitgeber regelmäßig zu zahlende sozialversicherungspflichtige Arbeitsentgelt, soweit es die Beitragsbemessungsgrenze des Dritten Buches Sozialgesetzbuch nicht überschreitet. Entgeltbestandteile, die nicht laufend gezahlt werden, sind nicht berücksichtigungsfähig.“
§6 Abs. 1 AltTZG
Okay, also ist das – wenig überraschend – das (reduzierte) laufende Arbeitsentgelt (Grundgehalt, aber auch vermögenswirksame Leistungen und lfd. Prämien/Zulagen).
Was ist aber jetzt z.B. mit dem Firmen-PKW?
Der geldwerte Vorteil aus der PKW-Überlassung kann schließlich (rein faktisch) nicht mit dem Umfang der Arbeitszeit halbiert werden, sondern bleibt (im Falle der Überlassung) grds. ungeschmälert. Lediglich soweit der Vorteil auf Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte entfällt, kann dieser beim Übergang in die Freistellungsphase wegfallen. Der Firmen-PKW ist als solches erstmal ein Dienstwagen, der insbesondere für dienstliche Fahrten gewährt wird. Wird die Arbeitszeit gleichmäßig über die gesamt Laufzeit reduziert (Gleichverteilungsmodell) kommt es hier also zu keinen Problemen. Was ist aber im Blockmodell? Scheidet der Mitarbeiter aus bzw. geht er in die Freistellungsphase über, dann fallen solche dienstlichen Fahrten nicht mehr an. Er könnte also zur Rückgabe des PKW verpflichtet sein. Allerdings wird man hier sagen müssen, dass der Mitarbeiter sich den Arbeitslohn und mithin auch den geldwerten Vorteil aus der Privatnutzung während der Arbeitsphase ja erarbeitet hat. Es spricht folglich arbeitsrechtlich durchaus etwas dafür, dass der Dienstwagen auch während der Altersteilzeit (Freistellungsphase) weiter genutzt werden kann (LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 12.03.2015 – Az. 5 Sa 565/14), sofern nicht in der Dienstwagenüberlassungsvereinbarung oder in der Altersteilzeitvereinbarung explizit etwas anderes geregelt ist. Für eine solche (abweichende) Regelung spricht, dass der Vorteil in der Arbeitsphase nicht entsprechend der Arbeitszeit reduziert wurde. Losgelöst von diesen arbeitsrechtlichen Fragen ist ein eventueller geldwerter Vorteil aus der PKW-Überlassung (egal für welchen Zeitraum) aber lfd. Arbeitsentgelt und als solches auch Regelarbeitsentgelt, welches m.E. eine verpflichtende Aufstockung nach sich zieht.
Sind Ihnen weiter Fälle bekannt, wo eine Altersteilzeitvereinbarung verworfen wurde und es zu Nachforderungen kam? Dann schreiben Sie mir gerne, ich werde das dann hier ergänzen.
⇨ Merkblatt Nr. 14 der Agentur für Arbeit zum Gleitenden Übergang in den Ruhestand