Lohnt sich eine steuerliche Beratung beim Erhalt einer Abfindung?

Ich werde immer wieder gefragt, ob sich beim Erhalt einer Abfindung eine steuerliche Abfindungsberatung lohnt. Rechnet sich das – oder kann man sich das sparen? Diese Frage ist nicht so ganz einfach zu beantworten.

In der Regel sind die Kosten für eine Steuerberatung angesichts der im Folgenden dargestellten Einsparmöglichkeiten vernachlässigbar. Es rechnet sich also eigentlich immer. In der Regel kann man eine Menge Steuern sparen. Aber der Reihe nach.

Werbungskostenabzug für steuerliche Beratung bei Abfindung

Leistung und Gegenwert müssen in einem stimmigen Verhältnis stehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Rechnung für die steuerliche Abfindungsberatung durch die Einkünfte (hier die Abfindung, also Arbeitslohn) veranlasst ist und somit die Rechnung des Beraters als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden kann. Unter der Prämisse, dass der Werbungskostenpauschbetrag bereits durch andere Ausgaben überschritten wurde, bekommt man also fast die Hälfte des Rechnungsbetrages vom Finanzamt erstattet. Die Beratung muss also nur ca. die Hälfte der Kosten einspielen, damit der Mandant kein Minus macht. Da die steuerlichen Unterschiede in der Regel 5-stellig sind, wird das sehr oft der Fall sein. Aber schauen wir es uns im Detail an.

Abfindung Steuern Sparen Lohnt sich eine Abfindungsberatung

Höhe des Vorteils aus der Fünftelregelung bei Abfindung

Der hälftige Rechnungsbetrag muss natürlich mit der Steuerersparnis verglichen werden. Eine grobe Orientierung bietet die folgende Tabelle. Dort habe ich – für verschiedene Abfindungshöhen – simuliert, was man im Idealfall als Steuervorteil durch die Fünftelregelung realisieren kann.

Was man dort sieht: Bei kleineren Abfindungen bis 125.000 EUR ist der Vorteil aus der Fünftelregelung in der Zusammenveranlagung kleiner als in der Einzelveranlagung. Der Vorteil aus dem Splitting kannibalisiert hier zum Teil den Vorteil aus der Fünftelungsregelung. Es wird unterm Strich ggf. mehr Sinn machen

  • in die Zusammenveranlagung mit dem gut verdienendem Ehepartner zu gehen und diesem den Vorteil aus dem Splitting zu „schenken“,
  • als die eigene Einzelveranlagung derart zu steueroptimieren, dass man möglichst viel aus der Fünftelregelung herausholt.

Und die geringe Abfindungshöhe rechtfertigt hier in der Regel keine derart hohen Steuerminderungsmaßnahmen, um das gute Ehepartner-Einkommen zu neutralisieren. Das ist der Grund, warum ich sehr selten Abfindungsberatungen bei Abfindungshöhen unter 100.000 EUR mache.

Man sieht dort außerdem: Bei einer typischen Abfindung von ca. 250.000 EUR bringt die Fünftelregelung in der Einzelveranlagung bereits einen Steuervorteil von ca. 42.000 EUR. In der Zusammenveranlagung ist es noch einmal deutlich mehr. Wer also die Fünftelregelung optimal nutzt, kann diese Beträge steuerlich sparen – ansonsten verschenkt man Geld an den Fiskus.

Vergleichsmaßstab für die Zahlen in der Tabelle ist ein bereits optimiertes Szenario (dazu später mehr) und die Frage, wie viel Steuern zu zahlen wären, wenn es die Fünftelregelung (§ 34 Abs. 1 Satz 1 – 3 EStG i.V.m. § 24 EStG) nicht gäbe. An diesem – optimalen – Punkt befinden sich die Mandanten in der Beratung aber noch nicht. Warum die Zahlen dennoch eine gute Orientierung bieten, werde ich später erläutern.

AbfindungshöheEinzelveranlagungZusammenveranlagung
                         50.000 €                            10.906 €                               5.766 €
                         75.000 €                            19.026 €                            12.990 €
                      100.000 €                            24.886 €                            21.346 €
                      125.000 €                            29.581 €                            29.716 €
                      150.000 €                            33.225 €                            37.669 €
                      175.000 €                            36.028 €                            43.879 €
                      200.000 €                            38.562 €                            49.488 €
                      225.000 €                            40.883 €                            54.446 €
                      250.000 €                            42.724 €                            58.934 €
                      275.000 €                            44.085 €                            63.098 €
                      300.000 €                            45.010 €                            66.298 €
                      325.000 €                            46.207 €                            69.240 €
                      350.000 €                            43.706 €                            71.926 €
                      375.000 €                            44.498 €                            74.353 €
                      400.000 €                            45.289 €                            76.990 €
                      425.000 €                            46.080 €                            79.448 €
                      450.000 €                            46.872 €                            81.653 €
                      475.000 €                            47.663 €                            83.626 €
                      500.000 €                            48.454 €                            85.367 €
                      525.000 €                            49.245 €                            86.853 €
                      550.000 €                            50.037 €                            88.109 €
                      575.000 €                            50.828 €                            88.377 €
                      600.000 €                            51.618 €                            89.950 €
                      625.000 €                            52.410 €                            91.278 €
                      650.000 €                            53.201 €                            92.365 €

Doppelter Vorteil: Beratung reduziert erst normale Steuer und hebelt dann die Fünftelung

Ein Abfindungsempfänger mit sehr hohen anderen Einkünften wird von der Fünftelregelung nichts haben. Ich sage immer, die Fünftelregelung braucht „Luft zum Atmen“. Sie bringt einen maximal auf den Grenzsteuersatz. Das ist der Steuersatz für den letzten verdienten Euro (vor der Abfindung). Bei hohen anderen Einkünften wird der letzte verdiente Euro also schon mit 42% besteuert – der Fünftelregelung fehlt also die Luft zum Atmen.

Nun ist nicht jeder mit seinem letzten Euro im Spitzensteuersatz – d.h. ein Teil des in der Tabelle dargestellten Vorteils wird in der Regel ohnehin – auch ohne steuerliche Beratung – realisiert. Ein Teil des Steuervorteils aus der Fünftelregelung wird häufig auch ohne Beratung realisiert. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit, denn die Beratung spart an zwei Stellschrauben Steuern.

  • Durch die steuermindernden Maßnahmen wird zunächst die Steuer auf das normale Einkommen (die anderen Einkünfte) reduziert. Dieser (normale) Vorteil addiert sich zum (zusätzlichen) Vorteil aus der Fünftelregelung.
  • Durch die Reduzierung des Einkommens bis zum optimalen Punkt gibt man nun der Fünftelregelung die „Luft zum Atmen“ und maximiert den Vorteil aus der Fünftelregelung.

Die Aktivierung der Fünftelungsregelung ist dann nur ein Zusatzeffekt – quasi die Kirsche auf der Sahne auf dem Kuchen. D.h. durch die steuermindernde Maßnahmen spart man im Abfindungsjahr in der Regel doppelt Steuern.

116.040 EUR Abfindung steuerfrei, durch fünffaches Existenzminimum

Der letzte (unterste) neutralisierte Einkommenseuro ist der wertvollste und bringt die größte Steuerersparnis. Das liegt daran, dass damit der Grundfreibetrag (das sog. steuerfreie Existenzminimum, vgl. § 32a Abs. 1 EStG) für die Fünftelregelung zur Verfügung steht.

In einer steuer-optimalen Zusammenveranlagung kann man quasi die ersten 100.000 EUR der Abfindung steuerfrei erhalten. Der Grundfreibetrag liegt aktuell in 2024 bei 11.604 EUR. Bei verheirateten multipliziert man das mal zwei und erhält so 23.208 EUR. Bei einer Abfindung i.H.v. 116.040 EUR würde für die Ermittlung der Steuerhöhe nun ein Fünftel herangezogen, eben diese 23.208 EUR. Die Steuer wäre Null Euro. Man müsste sie zwar mit 5 multiplizieren – es bliebe aber bei Null Euro.

Die Ausführungen hier sind natürlich nicht geeignet, eine konkrete Berechnung zu ersetzen, aber folgende Aussage trifft in der Regel zu: Hat der Mandant in der o.g. Situation noch 23.208 EUR schädliche Einkünfte, die man in der Beratung neutralisiert, dann reduziert sich die Steuer ganz erheblich. Selbst eine Schenkung ist in dieser Situation oft sinnvoll (wenn man nichts Besseres findet), da man in der Regel mehr als die Schenkung vom Finanzamt zurückerhält.

Kipp-Punkte gibt`s beim Klima und bei der Fünftelregelung

Irgendwann tritt eine Überoptimierung ein. Z.B. wenn man bei einem zu versteuernden Einkommen von Null Euro (ohne Kinder und ohne Progressionseinkünfte) weiter Geld für steuermindernde Maßnahmen ausgibt (z.B. für Sonderausgaben, Werbungskosten, Rentenausgleichszahlungen). Das zu versteuernde Einkommen wird dann negativ und die Fünftelregelung rechnet dann anders (§ 34 Abs. 1 Satz 3 EStG).

Hier tritt dann ein Kipp-Punkt ein. Bis zum Kipp-Punkt amortisieren sich steuermindernde Maßnahmen mit jedem zusätzlichen Euro immer besser. Teilweise kommt man auf Amortisationsraten von über 100%, je näher man dem Kipp-Punkt kommt. D.h. für einen ausgegebenen Euro bekommt man mehr als einen Euro zusätzliche Steuererstattung.

Optimiert man sein zu versteuerndes Einkommen über den Kipp-Punkt hinaus, so erhält man für diese zusätzlich ausgegebenen Euros nur noch normale Steuererstattungen von ca. 25%-45% (inkl. Solidaritätszuschlag). Das kann sinnvoll sein, wenn man dies durch Maßnahmen macht, die sowieso anfallen und man in den Folgejahren keine oder nur geringe Steuern zahlt (z.B. wegen Rente oder ALG). Ansonsten kann man sich die zusätzlichen Euro sparen oder im Folgejahr ausgeben.

Ehepartner mit eigenem Einkommen: Hier werden sie zum Problem

Richtig kompliziert wird es, wenn durch die Ansammlung von steuermindernden Maßnahmen (mal beim einen und mal beim anderen Ehepartner) auf einmal die Zusammenveranlagung günstiger wird und dann wieder die Einzelveranlagung günstiger wird.

Für die Ermittlung des Steuereinspar-Effektes und somit für die Ermittlung der Amortisation der Maßnahmen, muss man folglich bei verheirateten Abfindungsempfängern immer mindestens drei Steuerberechnungen parallel machen (die zwei Einzelveranlagungen sind summiert der Zusammenveranlagung gegenüberzustellen). Wer einfach immer nur die Zusammenveranlagungen vergleicht, der rechnet falsch.

Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen

In den Vortelefonaten zu einer Beratung sortiere ich zwei Gruppen von potentiellen Mandanten aus, mit denen ich in aller Regel keine steuerliche Abfindungsberatung durchführe (es gibt natürlich Ausnahmen / Sonderfragen):

1.) Der Abfindungsempfänger sucht sich nahtlos ein neues Beschäftigungsverhältnis. Bei Verheirateten gilt das jedenfalls dann, wenn der der Ehepartner ebenfalls sehr gut verdient. Die Fünftelregelung reduziert die Abfindung – wie gesagt – maximal auf den Grenzsteuersatz nach unten. Wenn dann vor Abfindung (bei beiden Eheleuten) mehrere hundertausend Euro zu versteuerndes Einkommen vorliegen, dann wird eine Optimierung sehr schwierig.

2.) Die zweite Gruppe, die ich vor der Beratung aussortiere, sind Abfindungsempfänger, die schon an dem optimalen Punkt sind, zu dem ich sonst (in der Beratung) versuche hin zu optimieren. Wo der optimale Punkt liegt, das beschreibe ich nachfolgend.

Das optimale zu versteuernde Einkommen

Der optimale Punkt ist i.d.R. der Nullpunkt – also ein zu versteuerndes Einkommen (vor Abfindung) von Null Euro.

Der optimale Punkt verschiebt sich allerdings, z.B. wenn Progressionseinkünfte (z.B. Arbeitslosengeld) hinzukommen. Dann geht der optimale Punkt weiter nach unten. Vereinfacht gesagt wäre der optimale Punkt dann ein zu versteuerndes Einkommen, dass soweit negativ ist, dass das ALG I darin gerade so verschwindet.

Kinder und Steuerrechner im Internet

Und der optimale Punkt verschiebt außerdem, wenn Kinder mit Kindergeldberechtigung vorliegen. Dann verschiebt sich der optimale Punkt allerdings nach oben. Zwei Kinder im Abfindungsjahr können schonmal 20.000 EUR zusätzlichen (über das Kindergeld hinausgehenden) Steuervorteil mit sich bringen.

Beispiel: Der optimale Punkt liegt in diesen Fällen beispielsweise bei einem zu versteuernden Einkommen von 20.000 EUR. Nun will man darüber hinaus noch mehr Geld für steuermindernde Maßnahmen ausgeben. Jetzt kann es unter Umständen dazu kommen, dass man damit insoweit nicht mal eine normale Steuererstattung erreicht. Die Steuer ist dann wie festgenagelt. Jeder ausgegebene Euro arbeitet nur gegen den Kinderfreibetrag an. Die Amortisation für so eine Überoptimierung ist dann Null Prozent.

Sind also Kinder mit Kindergeldbezug im Abfindungsjahr vorhanden und man will seine Steuerberechnungen zur Optimierung selber anstellen, dann muss der verwendete Steuerrechner die Möglichkeit bieten, die Anzahl der Kinder zu hinterlegen. Ein Steuerrechner ohne Kinder wird hier immer falsche Zahlen produzieren.

Fazit

Aufgrund des doppelten Effekts und weil die letzten neutralisierten Einkommens-Euros die wertvollsten sind, taugen die Zahlen in der obigen Tabelle m.E. trotzdem zur groben Orientierung. Als Orientierung reicht das aus. Man sieht – man kann hier viel Geld / viel Steuern sparen oder aber auch viel Geld verschenken.

Darüber hinaus bespricht man in einer guten Beratung weitere Fragen, diskutiert das Für und Wider von Arbeitslosengeld, ob ein Versorgungsausgleich über den Arbeitgeber oder besser ohne den Arbeitgeber erfolgen sollte und der Berater achtet darauf, dass keine Höchstbeträge (z.B. bei den Sonderausgaben) überschritten werden.

Ein guter Berater wird auch immer die Gesamtsituation im Auge behalten. Er schaut sich also auch das Jahr vor und das Jahr nach der Abfindung an. Wenn größere steuermindernde Maßnahmen definitiv anfallen, sich aber später nicht mehr lohnen, kann eine Überoptimierung oder eine Berücksichtigung im Jahr vor der Abfindung sinnvoll sein. Das ist z.B. der Fall, wenn der Mandant später nur noch geringe Renteneinkünfte erzielt, aber noch höhere Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung hat.

Übersicht aller Beiträge aus der Reihe „Steuern sparen bei Abfindung“